Bevor wir damit anfangen, uns darüber auszulassen, was Opencast (nicht) ist, lasst uns als Einleitung mit einer anderen Frage beginnen: Wenn ihr Hochschulangehörige seid, welches Learning-Management-System setzt eure Universität oder Hochschule ein?
Die meisten können diese Frage wahrscheinlich korrekt beantworten, spätestens dann, wenn sie wissen, was ein Learning-Management-System (LMS) ist. Ansonsten kann man die Frage auch noch ein bisschen umformulieren und Beispiele anfügen: Was nutzt ihr zur Verwaltung eurer Kursinhalte: Moodle, Ilias, Stud.IP oder etwas anderes?
Das Learning-Management-System ist für alle Hochschulangehörigen eine sehr sichtbares Tool, mit dem die meisten fast täglich interagieren. Anders ist das bei Opencast, auch wenn diese Software eigentlich auch eine wichtige Rolle im Hochschulalltag spielt - auf die Frage Nutzt ihr Opencast? kommt häufig nur ein verwirrtes Schulterzucken: Was ist Opencast?
Stellt man die Frage allgemeiner: Werden bei euch Vorlesungen aufgezeichnet? bekommt man häufiger eine Antwort - wobei diese auch je nach Fachbereich unterschiedlich ausfallen kann, weil viele Hochschulen nicht flächendeckend aufzeichnen. Die Frage nach der dahinterstehenden Software können aber oft nur die Mitarbeitenden des Rechenzentrums oder der jeweiligen E-Learning-Einrichtung beantworten.
Das ist nicht überraschend, findet der Einsatz von Opencast doch häufig eher im Verborgenen statt. Deshalb werden wir im nachfolgenden ein bisschen auf die verschiedenen Berührungspunkte eingehen, die Studierende & Lehrende mit Opencast haben.
Die Studierenden kommen meistens erst mit den fertigen Videos in Kontakt, die sie sich dann ganz nach Belieben ansehen können. Häufig sind diese einfach Teil der Kursinhalte im jeweiligen Learning-Management-System, oder sie sind über das hochschuleigene Videoportal abrufbar. Wie diese Videos entstehen (und warum es gelegentlich das ein oder andere Video nicht bis zur Veröffentlichung schafft) ist für sie aber nicht ersichtlich.
Die Gründe für die Nutzung der Videos sind so vielfältig wie die Biografien der einzelnen Studierenden selbst. Vorlesungsaufzeichnungen sind z.B. hilfreich für Studierende, die die jeweilige Vorlesung aus irgendwelchen Gründen nicht besuchen können, z.B. aufgrund von Krankheit (was auch chronische Erkrankungen miteinschließt), einer konkurrierenden Veranstaltung, einem Nebenjob, der benötigt wird, um die Lebenshaltungskosten zu bezahlen, oder auch aufgrund von Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Studium und Familie.
Auch zur Prüfungsvorbereitung werden die Videos gerne genutzt, um einzelne Themen noch einmal aufzufrischen. Vorlesungsaufzeichnungen verbessern außerdem die Zugänglichkeit von Lehre, da einzelne Abschnitte je nach Bedarf beliebig oft wiederholt werden können und Features wie automatisch generierte Untertitel die Verständlichkeit erhöhen.
Aber wo kommen diese Videos jetzt her?
Sichtbar ist für alle Aufmerksamen die Technik in den Hörsälen: Headsets und Mikrofone auf dem Pult, auf Tafel oder Dozierende ausgerichtete Kameras an der Decke, und einen Haufen Kabel zum Anschluss der Notebooks von Dozierenden sowie häufig integrierte Computer zur Bedienung des Ganzen.
Aber auch Videokonferenzen können aufgezeichnet werden (besonders beliebt während der Corona-Krise, als Präsenzlehre nur schwierig oder gar nicht möglich war), oder Lehrende können Videos in Eigenregie mit ihrem Computer erstellen. Manche Hochschulen haben sogar professionelle Kamerateams für besondere Veranstaltungen.
Insgesamt müssen sich die Dozierenden ein bisschen mehr mit dem Thema auseinandersetzen als die Studierenden, zumindest wenn sie ihre Vorlesungen aufzeichnen lassen möchten. Häufig können sie dies, z.B. über das jeweilige LMS oder ein dediziertes Raummanagementsystem, schon vor Beginn des Semesters für alle anstehenden Termine veranlassen. Die Dozierenden müssen dann nur noch das Notebook richtig anschließen und daran denken, das Mikrofon einzuschalten. 😉
Alternativ kann in manchen Einrichtungen auch spontan eine Aufnahme über den integrierten Computer im Hörsaal gestartet werden. An manchen Hochschulen muss aus Datenschutzgründen sogar jede Aufnahme manuell bestätigt werden, bevor etwas aufgezeichnet wird. Andere Hochschulen zeichnen rigoros alles auf, wenn man nicht explizit widerspricht.
Lehrende können häufig auch bereits fertige Videos hochladen, z.B. über das LMS. Seit 2020 setzen manche Hochschulen außerdem Tools wie Opencast Studio ein, mit dem möglichst einfach Videos inklusive Bildschirmaufnahme erstellt und sofort im Anschluss hochgeladen werden können.
Dafür, dass all diese Dinge am Ende bei den Studierenden landen, sorgt Opencast. Das funktioniert folgendermaßen:
Geplante Aufnahmen können entweder direkt über Opencast angelegt werden, oder diese Informationen gelangen über eine Schnittstelle in das System, zum Beispiel vom LMS. Dann ist bekannt, dass z.B. jeden Montag von 10 - 12 die Mathematik 1 Vorlesung in Raum 114a stattfindet.
Diese Informationen gibt Opencast weiter an einen sogenannten Capture Agent, einem kleinen Computer, der in die Technik des jeweiligen Hörsaals integriert ist. Bei diesem Gerät laufen die Signale von Kamera, Mikrofon und angeschlossenem Laptop zusammen und können zum richtigen Zeitpunkt aufgenommen werden. Nach Ende der Aufnahme schickt der Capture Agent die fertige Aufzeichnung zu Opencast.
Opencast kann dabei standardmäßig mit mindestens zwei Videostreams umgehen, die üblicherweise für den/die Dozierende:n und die Tafel oder Bildschirmaufzeichnung vorgesehen sind.
Zu einer Aufzeichnung gehören aber auch noch weitere Daten, am Wichtigsten davon sind die Metadaten und die Zugriffsrechte. Die Metadaten enthalten wichtige Informationen zu der jeweiligen Aufnahme wie den Titel, den Namen der/des Vortragenden, das Datum der Aufnahme oder die gesprochene Sprache. In den Zugriffsrechten wird definiert, wer die fertige Aufzeichnung sehen darf und wer diese verändern kann. Diese Einstellungen werden üblicherweise bei der Planung der Aufzeichnung oder beim Hochladen eines Videos vorgenommen.
Opencast beginnt nach Erhalt der Daten, ganz gleich ob vom Capture Agent oder bei einem Direkt-Upload, sofort mit der Verarbeitung, indem ein Workflow gestartet wird. Welche Verarbeitungsschritte in welcher Reihenfolge genau in diesem Workflow durchgeführt werden, kann je nach System variieren, da Opencast zwar eine Standardkonfiguration mitbringt, diese jedoch je nach Bedarf der jeweiligen Einrichtung angepasst oder erweitert werden kann. So kann zum Beispiel vor jedes Video ein eigener Vorspann mit dem Universitätslogo angefügt werden.
Üblicherweise werden die Videodateien in verschiedene Qualitätsstufen umkodiert, damit auch Studierende mit einer schlechten Internetverbindung die Aufzeichnung schauen können. Außerdem werden Vorschaubilder erzeugt. Zusätzlich ist es auch möglich, zu einer Aufzeichnung Untertitel hochzuladen oder diese während der Verarbeitung erzeugen zu lassen. Opencast enthält dafür Integrationen zu Diensten wie OpenAIs Whisper.
Das größte Teil der Verarbeitung findet automatisiert statt; Opencast bietet jedoch auch einen Videoeditor an, mit dem die Videos zwischendurch geschnitten werden können, um z.B. Pausen herauszukürzen. Dort können auch etwaige Untertitel editiert werden.
Zum Schluss werden die Videos veröffentlicht. Das heißt zunächst, dass sie über den in Opencast integrierten Paella Player ansehbar sind. Dessen Besonderheit ist, dass sich mehrere Videostreams gleichzeitig abspielen lassen und das Layout dafür verändert werden kann, um z.B. das Tafelbild besonders groß zu sehen.
Der Player kann in das jeweilige LMS integriert oder in ein Videoportal oder andere Websites eingebunden sein. Über die Schnittstellen von Opencast ist es außerdem möglich, einen eigenen Player mit einem ggf. anderen Feature-Umfang zu betreiben.
Für die Learning-Management-Systeme Moodle, Ilias und Stud.IP gibt es dedizierte Plugins für die Integration von Opencast, die es ermöglichen, Aufzeichnungen zu erstellen, zu verwalten und zu veröffentlichen, ohne dass Nutzende direkten Zugang zu Opencast brauchen. Dabei sorgen sie zusätzlich für die korrekte Verknüpfung der Videos mit ihrem jeweiligen Kurs und dafür, dass die Kursteilnehmer diese abrufen können.
Seit einer Weile ist für Opencast außerdem ein eigenes Videoportal namens Tobira (japanisch für Tor oder Portal) in der Entwicklung, mit dem sich die in Opencast vorhandenen Videos in einer ansprechenden Weise darstellen und durchsuchen lassen.
Die Software Opencast ist Open Source, das heißt der Code kann auf Github öffentlich eingesehen werden. Die Lizenz erlaubt es außerdem, die Software kostenlos zu betreiben und anzupassen. Dadurch müssen sich Hochschulen nicht in Abhängigkeit zu einem einzigen kommerziellen Anbieter begeben (wobei es Dienstleister rund um Opencast gibt - siehe unten). Alle 6 Monate wird eine neue Version von Opencast veröffentlicht; für die beiden aktuellsten Versionen gibt es ca. einmal im Monat Updates.
Getragen wird das Projekt durch eine internationale Community, an der auch deutsche Hochschulen beteiligt sind. Diese treibt zusammen mit beauftragten Dienstleistern die Weiterentwicklung des Projektes voran. Erleichtert wird das Ganze u.a. durch Aktionen wie dem jährlichen Crowdfunding. Gelegentlich fließen auch öffentliche Fördermittel in das Projekt wie z.B. aktuell im Rahmen von DLHN. Auch ein Beitrag zur Apereo Foundation, in dem das Projekt Mitglied ist, kommt unter anderem Opencast zugute.
Mehr Informationen zu Opencast kann man auf der offiziellen Website erhalten. Wer sich darüber hinaus konkreter über technische Details informieren möchte, kann außerdem hier die Dokumentation finden.
Wer einmal selbst sehen möchte, wie Opencast aussieht, kann auf den Testservern develop.opencast.org, stable.opencast.org und legacy.opencast.org mit der administrativen Benutzeroberfläche verschiedener Opencast-Versionen herumspielen. Aber Achtung: Die Server sind öffentlich und werden jede Nacht zurückgesetzt, also bitte weder datenschutzrechtlich kritische noch für die dauerhafte Nutzung gedachte Aufnahmen hochladen. Außerdem gibt es eine (nicht mit den oben genannten Servern verbundene) Testinstanz für Tobira.
Üblicherweise gibt es jedes Jahr jeweils eine deutschsprachige und eine internationale Konferenz, wobei die internationale meist im Februar oder März, die deutschsprachige im Sommer oder Frühherbst stattfindet. Außerdem gibt es seit ein paar Jahren eine virtuelle Konferenz im Oktober oder November. Die Teilnahme an den Konferenzen ist kostenlos.
Darüber hinaus finden wöchentliche und monatliche Web Meetings für verschiedene Zielgruppen statt (siehe Community-Kalender. Aufgezeichnete Webinare von vergangenen Konferenzen und Meetings auf Deutsch und Englisch können hier angesehen werden.
Für Fragen kann man sich vertrauensvoll an die Community wenden, entweder über den Matrix-Chat oder über das Forum auf Github. Dort sind unter anderem auch Mitarbeitende des elan zu finden. Ich verspreche, wir beißen nicht. 😉
Der elan e.V. ist schon seit vielen Jahren in der Opencast-Community aktiv. Aktuell stellt der elan 5 Committer, was heißt, dass diese Leute Schreibzugriff auf das Repository haben sowie in Entscheidungen involviert sind, die die Zukunft des Projektes betreffen. Außerdem sind Mitarbeitende des elan Release Manager oder leiten regelmäßige Meetings.
Unsere Community-Arbeit finanzieren wir u.a. von den sogenannten Community-Stunden, einem Anteil von 20% unserer stundenbasierten Verträge, den wir für diese Tätigkeiten einsetzen. Von Auftraggebern finanzierte Entwicklungsaufgaben fließen außerdem wenn irgendwie möglich in das Projekt zurück.
Als Dienstleister bietet der elan neben der Entwicklung neuer Features das Aufsetzen und Pflegen von Opencast-Installationen unserer Kunden auf Stundenbasis an. Außerdem gibt es mit dem Opencast-Hosting eine von uns betriebene out of the box-Lösung mit verschiedenen Zusatzpaketen zum jährlichen Festpreis. Auch das Videoportal Tobira wird aktuell in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit verschiedenen Auftraggebern von uns entwickelt.
Also, nutzt eure Hochschule Opencast? Falls ihr euch nicht sicher seid, könnt ihr auch versuchen zu spicken:
Denn möglicherweise ist eure Einrichtung auf dieser Karte verzeichnet. Die Registrierung ist freiwillig, ist aber von der Community immer gerne gesehen, um mehr Informationen über die verschiedenen Einsatzbereiche sammeln zu können und die Weiterentwicklung entsprechend zu gestalten.
Und wenn eure Hochschule noch nicht eine von denen ist, die Opencast einsetzt, vielleicht sogar noch gar keine Vorlesungen aufzeichnet - vielleicht möchtet ihr das ja ändern? Dann meldet euch gerne für ein unkompliziertes Beratungsgespräch bei uns über unser Kontakt-Formular.
(Am Rande sei hier noch erwähnt, dass Opencast auch jenseits der Hochschullandschaft Anwendung findet, z.B. bei Vereinen; in diesem Beitrag wurde sich jedoch auf den typischen Anwendungsfall konzentriert. Ihr müsst aber keine Hochschule sein, um euch bei uns zu melden!)